Autor:

Pedro A. Movilla Fernandez

Titel:

Studien zur Quantenchromodynamik und Messung der starken Kopplungskonstanten alpha_S bei sqrt{s} = 14 - 44 GeV mit dem JADE Detektor

Zusammenfassung:

Die vorliegende Arbeit behandelt die Reanalyse von hadronischen Endzuständen in Daten der e+e- - Annihilation gemessen mit dem JADE-Detektor am Speicherring PETRA (1979-1986). Im Mittelpunkt stehen perturbative und nichtperturbative Aspekte der Quantenchromodynamik (QCD), insbesondere die Messung der Kopplungskonstanten alpha_S der starken Wechselwirkung und die experimentelle Untersuchung von Energiepotenzkorrekturen in Ereignistopologien.

Hierzu musste ein Großteil der originalen Detektorsimulation und Offline-Rekonstruktionsanalyse-Software des JADE-Experiments auf heute gängige Rechnerplattformen übertragen und reaktiviert werden. Mit der erfolgreichen Adaption der Programme, die in diversen Tests ihre gute Funktionalität bewiesen haben, ist eine sinnvolle Messung von topologischen Observablen bei allen PETRA-Energien möglich.

Es wurden die differenziellen Wirkungsquerschnitte der Variablen Thrust T, Jetmasse M_H, der Jetbreiten B_T und B_W, des C-Parameters und der differenziellen 2-Jet-Rate nach dem Durham-Schema bei Schwerpunktsenergien zwischen sqrt{s}= 14-44GeV bestimmt. Beim Vergleich mit entsprechenden Vorhersagen von diversen phänomenologischen Hadronisierungsmodellen, die mit LEP-Daten an der Z0-Massenskala sqrt{S}=M_Z abgestimmt worden sind, erweist sich das in PYTHIA/JETSET implementierte Partonschauer- und Stringfragmentationsmodell als besonders tauglich zur Beschreibung hadronischer Ereignistopologien bis hinab zu sqrt{S}=14GeV. Hingegen ist die Qualität der Modelle ARIADNE (Farbdipolformalismus) und HERWIG (Clusterfragmentation) moderater, und COJETS (unabhängige Fragmentation) beschreibt die Daten nicht. Offensichtlich ist bei diesen ein Nachjustieren der Modellparameter für kleine Schwerpunktsenergien erforderlich.

Aus den Ereignistopologien wurde alpha_S durch Anpassung der bisher vollständigsten perturbativen Rechnungen für die differenziellen Verteilungen der Observablen, eine Kombination von O(alpha_S**2)- mit resummierten Rechnungen vom Typ NLLA, an die Daten extrahiert. Die mit den Hadronisierungsmodellen gefalteten Vorhersagen stimmen größtenteils gut mit den Messverteilungen überein und erlauben ferner eine konsistente Bestimmung von alpha_S bei allen PETRA-Energien. Die Endergebnisse mit Gesamtfehlern,

alpha_S(14.0 GeV)= 0.1704+0.0206-0.0171,
alpha_S(22.0 GeV)= 0.1513+0.0144-0.0121,
alpha_S(34.8 GeV)= 0.1431+0.0118-0.0096,
alpha_S(38.3 GeV)= 0.1397+0.0108-0.0087,
und
alpha_S(43.8 GeV)= 0.1306+0.0096-0.0080,

sind erheblich genauer als die früheren PETRA-Messungen und stehen in gutem Einklang mit der theoretischen Vorhersage für alpha_S(sqrt{s}) basierend auf dem derzeitigen Weltmittelwert für alpha_S{M_Z}. Zu den Fehlern tragen Renormierungsskalen- und Hadronisierungsunsicherheiten dominant bei. Mit Hilfe der neuen PETRA-Ergebnisse und der entsprechenden LEP-Resultate bei sqrt{S}>=M_Z kann die QCD-Erwartung für die Energieevolution von alpha_S über einen großen Teil des experimentell erschlossenen e+e--Kontinuums auf Basis einer homogenen Analysetechnik signifikanter als bisher verifiziert werden.

Potenzartige Korrekturen 1/sqrt{s} nach einem analytischen Ansatz von Dokshitzer, Marchesini und Webber (DMW) wurden als viel versprechende Alternative zur Beschreibung von nichtperturbativen Einflüssen auf die Ereignistopologie untersucht, da hierbei neben alpha_S nur ein einziger zusätzlicher freier Parameter auftritt, das nullte Moment alpha_0(muI) der physikalischen starken Kopplungskonstanten alpha_S(mu) in der Energieregion mu=0...muI um den Landaupol. Für experimentelle Tests wurden neben den JADE-Daten auch die Messungen anderer Experimente bis sqrt{S}= 189 GeV zurate gezogen. Abgesehen von vereinzelten Defiziten, die bei den weniger inklusiven Variablen (B_W und M_H) insbesondere für kleine Schwerpunktsenergien beobachtet werden, gelingt in der Regel eine respektable Reproduktion des Großteils des Datenspektrums topologischer Observablen. In globalen Anpassungen der Vorhersagen an Verteilungen und Mittelwerte wurden alpha_S und alpha_0 simultan bestimmt und jeweils zu Endresultaten mit Gesamtunsicherheiten,

alpha_S(M_Z)= 0.1126+0.0058-0.0048,
alpha_0(2 GeV)= 0.542+0.090-0.068
(Verteilungen),

alpha_S(M_Z)= 0.1187+0.0031-0.0021,
alpha_0(2 GeV)= 0.485+0.066-0.045
(Mittelwerte).

kombiniert. Auch die für das DMW-Modell essenzielle Universalität des Parameters alpha_0 ist im Rahmen der systematischen Unsicherheiten experimentell bestätigt worden.